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Sachverhalt:
Bedeutung der Grundsteuer Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer eine der Haupteinnahmequellen der Marktstadt Waldbröl. Im Haushaltsjahr 2024 wurden über 4,8 Mio. Euro veranlagt. Notwendigkeit der Grundsteuerreform Hintergrund dieser Reform ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.04.2018, in dem die derzeit geltende Regelung zur Bewertung der Grundstücke für verfassungswidrig eingestuft wurde. Ursächlich hierfür war eine veraltete Berechnungsgrundlage, da die letzte durchgeführte Wertermittlung von Grundeigentum in Westdeutschland 1964 und in Ostdeutschland 1935 stattfand. Daraus resultierte eine ungleich verteilte Wertverschiebung. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht als ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) erkannt, da keine realitätsgetreue Abbildung der Wirtschaftsgüter und somit keine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen möglich war. Im November 2019 hat der Bundesgesetzgeber die Grundsteuerreform verabschiedet (das sogenannte Bundesmodell). Durch eine Öffnungsklausel war es den Bundesländern möglich, das Bundesmodell zu übernehmen oder ein eigenes Modell zu beschließen und bis zum 01.01.2025 umzusetzen. Am 06.05.2021 hat das Land NRW beschlossen, dass das Bundesmodell zur Erhebung der Grundsteuer ab dem 01.01.2025 in Nordrhein-Westfalen angewendet werden soll. Grundlagen des Bundesmodells Das Bundesmodell sieht vor, dass der Besteuerung des Grundbesitzes der generalisierte Wert des Grundstückes (Grundsteuerwert) zugrunde gelegt wird. Bei der Bewertung wird zwischen zwei Bewertungsverfahren unterschieden. a) Die Wohngrundstücke werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet, also auf Basis der Bodenrichtwerte und von gesetzlich festgelegten standardisierten Mieten mit Berücksichtigung des Gebäudealters. Die folgenden Grundstücksarten werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet:
b) Die Nichtwohngrundstücke werden mit dem Sachwertverfahren bewertet auf Basis der Bodenrichtwerte und von gesetzlich festgelegten standardisierten Baukosten. Nach dem Sachwertverfahren werden die folgenden Grundstücksarten bewertet:
Die Bestimmung der Grundstücksart und Anwendung des entsprechenden Bewertungsverfahrens erfolgt durch das Finanzamt gemäß dem Bewertungsgesetz (BewG).
Ziel der Grundsteuerreform Ziel der Grundsteuerreform ist die Sicherung der verfassungskonformen Erhebung der Grundsteuer ab dem 01.01.2025. Um dies zu ermöglichen, wurden die Eigentümer von Grundeigentum dazu aufgefordert, aktuelle Erklärungen zu ihrem Grundeigentum bei dem Finanzamt einzureichen. Aufkommensneutralität für die Kommunen Die Grundsteuerreform soll nach Möglichkeit aufkommensneutral für die Kommunen erfolgen. Dies bedeutet, dass das Grundsteueraufkommen der Kommunen auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr bleibt. Dabei ist zu beachten, dass Aufkommensneutralität nicht bedeutet, dass die Höhe der Grundsteuer für die Steuerpflichtigen gleich bleibt; vielmehr hängt eine Erhöhung, Senkung oder ein gleichbleibender Betrag für den einzelnen Steuerpflichtigen von der berechneten Wertsteigerung und der Art des individuellen Grundstücks ab, wie sie vom Finanzamt festgelegt wird. Das Ministerium der Finanzen des Landes NRW hat zur Unterstützung der Aufkommensneutralität angekündigt, für die Kommunen aufkommensneutrale Hebesätze zu berechnen und zu veröffentlichen. Die erste Empfehlung zu den aufkommensneutralen Hebesätzen wurde am 20.06.2024 veröffentlicht; die Berechnung basierte auf Daten mit dem Stichtag 30.03.2024. Da die Daten bis zu diesem Stichtag noch unvollständig waren bzw. Veränderungen vorgenommen wurden, hat das Land NRW am 17.09.2024 eine neue Empfehlung zu den aufkommensneutralen Hebe-sätzen veröffentlicht mit dem Stichtag 15.08.2024. Dabei hat das Finanzministerium erläutert, dass die Berechnungsgrundlage dynamisch ist, da die Bearbeitung von Feststellungs-erklärungen und Einsprüchen die Summe der Grundsteuermessbeträge kontinuierlich verändert. Die mitgeteilten aufkommensneutralen Hebesätze vom 17.09.2024 betragen:
Der derzeitige Hebesatz der Grundsteuer A beträgt 320 v. H. bei einem Steueraufkommen von ca. 50.362 €. Das Land NRW empfiehlt einen aufkommensneutralen Hebesatz von 252 v. H. Das Grundsteuermessbetragsvolumen für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft ist durch die Reform gesunken, da ab dem 01.01.2025 die Wohnflächen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zur Grundsteuer B zählen. Dies wurde vom Land NRW bei der Berechnung berücksichtigt. Dadurch würde eine Erhöhung oder Beibehaltung des derzeitigen Hebesatzes eine Mehrbelastung für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bedeuten. Aus diesem Grund sollte der Hebesatz auf 252 v. H. gesenkt werden, um eine Mehrbelastung zu vermeiden.
Berechnung der Grundsteuer Die Ermittlung der Höhe der Grundsteuer durchläuft drei Stufen, bis die endgültige Höhe den Steuerpflichtigen durch den Grundbesitzabgabenbescheid von den Kommunen mitgeteilt wird.
Messbetrag (2025) x Hebesatz (2025) = Grundsteuer 2025. Entwicklung des Messbetragsvolumens Für die Ermittlung des Hebesatzes der Marktstadt Waldbröl ist entscheidend, wie sich das Messbetragsvolumen vom aktuellen Haushaltsjahr bis 2025 entwickelt. Die Prognose des voraussichtlichen Messbetragsvolumens basiert auf den bis zum 01.10.2024 vom Finanzamt übermittelten Daten. Diese Ermittlung ist in der Anlage 2 dargestellt. Im Haushaltsjahr 2024 wurde ein Messbetragsvolumen von 636.580 € veranschlagt. Nach den bislang übermittelten Daten wird dieses Volumen für 2025 voraussichtlich sinken. Laut dem Stichtag 01.10.2024 ist für 2025 mit einem Messbetragsvolumen von 541.797 € bei der Grundsteuer B zu rechnen, was eine Differenz von rund - 94.783 € bedeutet. Der Rückgang des gesamten Messbetragsvolumens der Marktstadt Waldbröl macht deutlich, dass der derzeitige Hebesatz von 755 v. H. definitiv angehoben werden muss, um das Steueraufkommen auf dem gleichen Niveau zu halten. Dabei ist gleichzeitig zu entscheiden, ob zukünftig ein einheitlicher Hebesatz oder differenzierte Hebesätze eingeführt werden sollen. Option Beibehaltung eines einheitlichen Hebesatzes Für das Jahr 2025 gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, wie die Kommunen ihre Hebesätze beschließen können. Die erste Option ist, einen einheitlichen Hebesatz für die Grundsteuer B beizubehalten. Das Land NRW hat für die Marktstadt Waldbröl einen aufkommensneutralen Hebesatz für die Grundsteuer B in Höhe von 918 v. H. ermittelt. Mit dem aktuell ermittelten Messbetragsvolumen von 541.797 € würde im Jahr 2025 ein Steueraufkommen von rund 4,970 Mio. Euro entstehen. Die Berechnungsvergleiche können anhand der Anlage 2 nachvollzogen werden. Option eines differenzierten Hebesatzes Am 04.07.2024 hat das Land NRW ergänzend zu dem Bundesmodell das „Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierter Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen (Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz - NWGrStHsG)“ verabschiedet. Mit diesem Gesetz erhalten die Kommunen die Möglichkeit, von § 25 Abs. 4 Ziff. 2 des Grundsteuergesetzes abzuweichen, der vorschreibt, dass ein einheitlicher Hebesatz für die in der Gemeinde liegenden Grundstücke festgelegt werden muss. Somit können Kommunen unterschiedliche (differenzierende) Hebesätze für die Grundsteuer B einführen. Dabei wird zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken unterschieden; die Zuordnung der Grundstücke basiert auf der Artfeststellung durch das Finanzamt. Mit § 1 Abs. 1 Satz 2 von Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz – NWGrStHsG – haben die Kommunen die Möglichkeit, Wohngrundstücke zu entlasten, um die Wohnnebenkosten zu stabilisieren oder zu senken. Diese Option ist für die Marktstadt Waldbröl interessant, da das Wohnen in den letzten Jahren kontinuierlich teurer geworden ist. In den vergangenen Jahren waren die Grundstückseigentümer durch steigende Bau- und Instandhaltungskosten erheblich belastet, um zum Beispiel Vorgaben des Bundesgesetzgebers oder der Unfallkasse umzusetzen sowie durch ein verändertes Zinsniveau. Seit 2022 hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Hauptrefinanzierungssatz stark erhöht; von 0,5 % stieg er bis September 2023 auf 4,5 %. Auch wenn die EZB den Zinssatz inzwischen auf 3,4 % gesenkt hat, bleibt dies dennoch eine bedeutende Belastung für Eigentümer, die ihre Immobilien weiterhin finanzieren müssen.
Ferner steigt das Mietniveau weiterhin an, auch in der Marktstadt Waldbröl. Dies zeigt sich deutlich im Mietspiegel des Oberbergischen Kreises, der alle zwei Jahre aktualisiert wird, und als Orientierungshilfe für Mieter und Vermieter dient. Das durchschnittliche Mietniveau pro Quadratmeter ist seit 2019 von 5,29 € auf 6,09 € im Jahr 2023 angestiegen. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist in nächster Zeit nicht mit einer Minderung der Mieten zu rechnen. Dies belastet Mieter zusätzlich zu der Grundsteuer, die auf die Mieter umgelegt werden kann und auch wird.
Die Marktstadt Waldbröl belegt im landesweiten Vergleich der Altersstruktur der Bevölkerung den 11. Platz und zählt zu den Kommunen mit der jüngsten Bevölkerung; in Waldbröl leben viele Familien mit Kindern. Das verfügbare Einkommen der Einwohnerinnen und Einwohner lag gem. IT.NRW im Jahr 2022 im landesweiten Vergleich im unteren Bereich (Platz 374 von 396 Kommunen in NRW).
Die vorbeschriebenen besonderen Merkmale sind mit denen anderer Kommunen kaum vergleichbar. Durch die Einführung von differenzierten Hebesätzen kann die „Unwucht“ zwischen dem Bereich „Wohnen“ und „Nichtwohnen“ abgemildert werden; die Differenzierung soll im Sinne des Gemeinwohls eine Lenkungsfunktion erfüllen. Da die Wohnnebenkosten von der wirtschaftlichen Lage abhängen, müsste die Entwicklung der verschiedenen Variablen zukünftig jährlich überprüft werden, um eine ungleiche Belastung zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken zu vermeiden. Das Land NRW hat am 17.09.2024 die folgenden aufkommensneutralen differenzierten Hebesätze für die Marktstadt Waldbröl empfohlen:
Sollten die Hebesätze in dieser Höhe für 2025 festgelegt werden, ist bei der Grundsteuer B mit einem Steueraufkommen von etwa 3,501 Mio. Euro für Wohngrundstücke und rund 1,468 Mio. Euro für Nichtwohngrundstücke zu rechnen. Insgesamt ergäbe sich so ein Steueraufkommen bei differenzierten Hebesätzen von ungefähr 4,970 Mio. Euro bei der Grundsteuer B. Das Finanzamt Gummersbach teilte auf Nachfrage mit, dass derzeit etwa 700 Fälle in Waldbröl geschätzt, kreisweit rund 16.000 Klagen und zahlreiche Einsprüche eingereicht wurden sind, weshalb eine weitere Verringerung des Messbetragsvolumens zu erwarten ist. Es erscheint folglich geboten, bei der Festlegung der künftigen Hebesätze einen „Sicherheitspuffer“ im Hinblick auf das absehbar noch sinkende Messbetragsvolumen zu berücksichtigen, um die Aufkommensneutralität des Grundsteueraufkommens sicherzustellen.
Beschlussvorschlag:
Der Haupt- und Finanzausschuss der Marktstadt Waldbröl empfiehlt dem Stadtrat, die als Anlage 1 beigefügte Hebesatzsatzung zu beschließen:
Für die Grundsteuer A wird ein Hebesatz in Höhe von 252 v. H. festgesetzt, bei der Grundsteuer B für Wohngrundstücke ein Hebesatz von 815 v. H. und für Nichtwohngrundstücke ein Hebesatz in Höhe von 1.309 v. H.
Die Hebesatzsatzung gilt ausschließlich für das Jahr 2025.
Im Vertretung
(Anja Brauer) Stadtkämmerin
Anlagen:
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